Physikepoche in der 6. Klasse

Etwa um das zwölfte Lebensjahr beginnt eine tiefgreifende Veränderung in der Entwicklung der Kinder: Mit der physischen Pubertät geht auch eine völlige innere Umwandlung einher. Die Oppositionslust nimmt zu, ein eigenständigeres Gefühlsleben verwandelt die Beziehung zum eigenen Körper, zur Umwelt, zu Ideen; neue Verstandeskräfte erwachen, es wächst das Bedürfnis, Kausalitäten einzusehen.

Hier setzt nun der erste Physikunterricht ein. Die Gebiete Akustik, Optik, Wärmelehre werden erarbeitet; in ersten einfachen Grundzügen werden auch die Erscheinungen der Elektrizität und des Magnetismus behandelt.

Ausgehend von Erfahrungen, die jeder schon einmal mit bekannten Dingen gemacht hat, wird die Welt der Töne anhand von vielfältigen kleinen Experimenten untersucht. Wir lernen Unterschieden kennen in Klangfarbe, Tondauer, Lautstärke und Tonhöhe. Dabei versucht man, neben einem starken gefühlsmäßigen Erleben besonders das ganz exakte Beobachten und Beschreiben der Phänomene anzuregen. Voreilige Schlüsse und Urteile müssen zurückgehalten werden; erst wenn durch eine Anzahl von Versuchen Sicherheit gewonnen wurde, werden Gesetzmäßigkeiten abgeleitet.

In ähnlicher Weise erobern wir uns das Feld der optischen Erscheinungen. Nach einer ersten Schattenlehre (die im Kunstunterricht mit dem Schwarz-Weiß-Zeichnen mit dem Kohlestift einhergeht) versuchen wir experimentell zu ergründen, warum die Abendsonne rot leuchtet und der Taghimmel blau ist. Der Blick durch das Prisma eröffnet uns an den Rändern heller und dunkler Flächen die Welt der Farben als die "Leiden und Taten des Lichts" (Goethe). Eine "camera obscura" bildet den Abschluss unserer Lichtlehre. In solchen durch die Sinne unmittelbar wahrnehmbaren Urphänomenen wird anschauende Urteilskraft gübt.

Die Bandbreite der hohen und tiefen Töne, die Gegensätze von helle und Dunkelheit, Hitze und Kälte, magnetischer Pole sowie positiver und negativer Elektrizität spiegeln den Schülern etwas von den Spannungsfeldern wider, die er in dieser Entwicklungsphase auch in seinem Innern verspürt. Dies kann tiefe Befreidigung auslösen und helfen, Kräfte zu wecken, z.B. bei der Bewältigung von Problemen und Konflikten.

Helmut Anschau

Zurueck zur letzten Seite
Zurueck zur letzten Seite